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Wenn sich Frühling und Herbst im Sommer treffen
Buch mit Hörbuch-CD und Musik | Mit Illustrationen von Nele Palmtag und
Musik vom SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg
Wenn ich auf meinem Blog über ein Buch schreibe, dann nicht, weil ich mir etwa anmaßen würde, die Geschichte nach irgendeinem Maßstab bewerten oder Punkte für Technik und Anmut der Ausführung verteilen zu können.
Es geht ausschließlich darum, was eine Geschichte mit mir macht. Das möchte ich einfangen und teilen. Und
„Wenn mein Mond deine Sonne wäre“ macht ganz viel und ganz Schönes – allein schon der Titel! Also fangen wir an.
Darum geht es:
Max liebt seinen Opa über alles und Opa liebt Max genauso sehr.
Die Sehnsucht, behaupteten sie, wohne im Herzen, aber Max wusste es besser: Sein Körper bestand aus Milliarden winziger Zellen, und da jede einzelne dieser Zellen ihm wehtat, konnte das nur bedeuten, dass die Sehnsucht überall in ihm wohnte … und falls seine Seele ebenfalls aus Zellen bestand, dann, bitte sehr: wohnte die Sehnsucht eben auch dort, denn sie erfüllte ihn überall und ganz. Kein Herz allein hatte Platz für so viel Sehnsucht. (Seite 8)
Dass die beiden sich nicht mehr so oft sehen können wie früher – und weswegen Max solche Sehnsucht hat – liegt daran, dass Opa in ein Seniorenheim ziehen musste. „Das große Vergessen“ (Gedenkmoment für "die geliebte Hannah" aus
„Rico, Oskar und das Herzgebreche“) kommt langsam über ihn. Opa selbst sagt über seine Mitbewohner:
„Die haben nicht mehr alle Murmeln im Schälchen. Genau wie ich!“
Edit: Was ich erst später zusammengebracht habe: Das Bild mit den Murmeln im Schälchen entspringt mutmaßlich der englischen Redewendung „to have lost one's marbles" – was extrem viel charmanter klingt als „nicht mehr alle Tassen im Schrank haben" im Deutschen.
Ein Jahr lang hält Max, inzwischen neun Jahre alt geworden, das Getrenntsein irgendwie aus, aber dann wird das Vermissen zu gewaltig. Und die Sorge, dass Opa sich eines Tages nicht mehr daran erinnern könnte, wie sehr er Max liebt. Zu wertvoll ist diese enge Verbindung für das vaterlose Einzelkind Max; auf keinen Fall kann er die Liebe des Großvaters entbehren.
Und so beschließt er an einem schönen Sommertag, seinen Opa aus dem Heim zu holen und ihm ein paar Stunden an einem speziellen Ort zu schenken, der unzählige Erinnerungen aus den vergangenen Jahrzehnten birgt. Max‘ Plan ist so einfach wie wirkungsvoll und die liebevolle Entführung gelingt. Begleitet werden die beiden von Fräulein Schneider, ebenfalls eine Heimbewohnerin, die kurzerhand die Gelegenheit ergreift, dem Eingesperrtsein zu entkommen. Ihre größte Sehnsucht:
„Zur Sonne!“
Da ist sie bei Max und seinem Opa genau richtig, denn die gemächliche Flucht per Bus bringt die drei an den Stadtrand zu einer sonnigen Blumenwiese, einer ganz besonderen: Dort hat Opa einst Max‘ (künftiger) Oma den Heiratsantrag gemacht.
Es gibt – Kinder wissen das, und manche Erwachsene – magische Orte auf der Welt. Orte, an denen ein Zauber wirkt, die Kraft ausstrahlen, weit und tief ins Denken und Fühlen von uns Menschen hinein. (Seite 40)
Ein paar traumhaft schöne Stunden auf der Sommerwiese verzaubern Opa, Max und auch Fräulein Schneider, die wieder zum Mädchen wird und – erst etwas eingerostet, dann leichtfüßig – ihre große Liebe wiederentdeckt: das Tanzen.
Fräulein Schneider zuzusehen war, als würde man der Sonne dabei zusehen, wie sie sich über die Erde verschüttete. (Seite 52)
Soviel zum Inhalt. Wie die Geschichte weiter- und ausgeht und was es eigentlich mit Sonne und Mond auf sich hat – lest selbst!
Lese(t)räumchen meint:
Das perfekte Lese(t)räumchen-Buch! Wärmend wie ein geschütztes sonniges Plätzchen an einem windigen Tag oder – jetzt im Dezember – wie die Lieblingskuscheldecke, während draußen Schnee fällt.
Mein erster Gedanke beim und nach dem Lesen war: Diese Geschichte macht glücklich und ein bisschen traurig und auf jeden Fall melankomisch (eine Wortschöpfung von
Rico).