Sonntag, 20. März 2016

Nostalgie mit "Hanni und Nanni"

Ein Sonntagnachmittag mit den berühmten Zwillingen 


"Hanni und Nanni" - wer kennt sie nicht? Tage, Wochen, ja, Monate meiner Kindheit habe ich mit ihnen verbracht. Mit dem Lesen der Bücher von Enid Blyton, mit dem Aus- und Abmalen der Illus in den Büchern, mit den Gängen in die Bücherei, um wirklich alle Bände ergattern zu können. Besessen habe ich nur fünf Stück. Und die habe ich noch heute, zerlesen und abgeliebt, aber eben wirklich geliebt. Alles war so anders bei den beiden und so aufregend! Ein Internat! Eine eineiige Zwillingsschwester!

Als mir dann kürzlich bei einem Pressetermin ein neuer Band der Reihe vor der Nase lag, brach sie aus, die Nostalgie und ich habe ganz doll genickt, als ich gefragt wurde, ob ich mal einen der neuen Bände lesen wolle. Na klar! Und so kam es, dass ich es mir heute mit "Hanni und Nanni feiern Geburtstag" gemütlich gemacht habe.

Und was soll ich sagen? Nach etwa einer Seite war ich wieder zehn Jahre alt und mittendrin im Lindenhof, dem Internat, auf dem die Zwillinge Hanni und Nanni Sullivan zur Schule gehen. Wobei der schulische Teil in diesem Band zumindest bei maximal einem Prozent liegt. Aber welches Mädchen will schon etwas darüber lesen, wie Romanfiguren in die Schule gehen? Um die Freizeitgestaltung geht es, um Freundschaft, um Geheimnisse, um Zusammenhalt, um Missverständnisse, Streit und um Verständnis und Versöhnung. Das ist nicht anders als bei Enid Blytons anderen Reihen - allen voran die von mir unendlich geliebten "Fünf Freunde" - und im Prinzip bei jeder Kinderbuchreihe, die es heute so gibt. Und es gibt ja so viele!

Zurück zum Lindenhof:
Ich schätze, dass ich meinen letzten Lesetag mit den Sullivan-Zwillingen vor etwa ... also mehreren Jahrzehnten verbracht habe. Was in den Bänden seither geschehen ist, ist mir unbekannt. Viel kann es allerdings nicht gewesen sein bzw. nichts, was die Lindenhof-Welt nachhaltig verändert hätte. Alles total vertraut, alle Figuren sofort wieder präsent (sie werden aber auch jeweils noch kurz vorgestellt und einsortiert, für die Neueinsteiger), das ganze Drumherum - ein bisschen wie Heimkommen. Herrlich!

Natürlich auch mitsamt sämtlicher Klischees von damals. Die Neugierige, die Freche, die Plapperhafte, die Künstlerische, die Sportliche - was eben mutmaßlich so dazugehört in einer Klasse. Trotzdem hatten sich ja alle immer irgendwie zusammengerauft und jede fand ihre Rolle im gesamten Stück. Auf dass sich jede Leserin in einer der Figuren wiederfinden und erkennen konnte, dass es völlig okay ist, so oder so zu sein - es findet sich für jede ein Platz und auch eine passende Freundin.

Okay, es kommen Neue dazu, auch das gehört zum Spiel, damit es interessant bleibt: eine kühle, eitle Elegante und eine trampelige, etwas langsam denkende Dicke. Heftigste Klischees und na ja, schon arg, arg ausgewalzt. In Bezug auf die mollige Miriam kann man schon von Mobbing sprechen. Aber wahrscheinlich war das in den früheren Folgen auch schon so; da hat man nur den Begriff noch nicht gekannt.

Alles, was neu war, kam bei Enid Blyton grundsätzlich erst mal nicht gut weg; das war in allen ihren Kinderbuch-Reihen so. Was letztlich aber sicher auch zu deren Erfolg geführt hat: bekannt, beliebt, bequem ist gut. Kuschelige Komfortzone. Eindringling stört, wird aber letztlich hereingelassen (sofern er nicht zu den ganz klar definierten Bösen gehört) und das System stimmt wieder, bereichert um einen neuen Aspekt. Ein Thema, das von brisanter Aktualität ist, fällt mir auf.

Jedenfalls entwickeln sich also im jetzt gelesenen Band "Hanni und Nanni feiern Geburtstag" neben der zunächst nicht recht gelingen wollenden Integration der beiden Neuen gleich zwei Kriminalfälle. Ein eher harmloser (Süßigkeiten-Diebstahl) und ein gravierender, nämlich ein versuchter Bilder-Raub.

Und was soll ich sagen? Ich fand's spannend! Natürlich blickt man als alter Hase recht schnell, worauf es hinausläuft, aber es sind durchauch falsche Fährten gelegt. Das weiß man ja zu schätzen bei einer Lese-Kindheit im Kreise der fünf Freunde und der drei Fragezeichen. Da ist man gewohnt, nicht zu hinterfragen, warum die Figuren immer mehr oder weniger gleich alt bleiben, obwohl sie schon seit Jahrzehnten zur Schule gehen, Ferien haben oder gerade aus den Ferien zurück ins Internat kommen, aber anständig miträtseln in neuen Fall, das möchte man schon! 

Ich habe mich auf jeden Fall gut unterhalten gefühlt, natürlich vor allem wegen des Nostalgie-Faktors. Würde mir eine neue Reihe mit identischem Inhalt untergejubelt werden, wäre ich ganz sicher kritischer.

Also - wer mal wieder Lust auf eine Runde Kindheits-Feeling mit Hanni und Nanni Sullivan vom Lindenhof hat, der ist zumindest mit diesem Band ähnlich gut bedient wie mit den alten. Da hat der Verlag wirklich schön aufgepasst auf die Marke "Hanni und Nanni", auf solide erzählte Geschichten ohne verwirrende Veränderungen des Settings und der Atmo und auf eine stimmige und behutsame Weiterführung der Reihe.

Es leben Hanni und Nanni! :)

PS: Habe eben auf Wikipedia noch den Beitrag zu "Hanni und Nanni" gelesen. Dort kann sich der geneigte Leser noch jede Menge Hintergrundinfos holen, v.a. zur Entwicklung der Serien, nachdem sie in England längst zu Ende war (Enid Blyton ist ja schon 1968 gestorben).
Einen Sammelband der englischen Originalfassung "St. Claire's" habe ich übrigens auch schon lange im Regal stehen. Werde ich mir auch mal rausholen und schauen, wie groß die Unterschiede von der englischen zur deutschen Fassung sind.

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